Der Klientenzentrierte Ansatz kann nach der Verhaltenstherapie die umfangreichste Forschung zur Psychotherapie vorweisen. Rogers hat, beginnend in den 1940er Jahren, vor allem viele Therapieprozesse in ihren Zusammenhängen mit verschiedenen Prozessvariablen und mit den Therapieergebnissen untersucht und damit die "process-outcome"-Forschung in der Psychotherapie begründet.
Einzigartig ist dabei auch die Analyse und das öffentliche Zur-Verfügung-Stellen von Therapietranskripten einschließlich der Analyse von fehlgeschlagenen Therapien. Unter den vielen weiteren Studien finden sich u.a. die geläufigen Untersuchungen zur Einschätzung des Therapeutenverhaltens (Grundhaltungen) und der Selbstexploration des Klienten unter Verwendung diverser Einschätzskalen für geschulte Rater oder unter Verwendung diverser Klienten-Fragebögen. Die Mehrheit aller Studien belegt die Wirksamkeit der Klientenzentrierten Therapie.
Eine einzelne therapeutische Vereinigung wie die ÖGWG hat nicht die Ressourcen, umfassende empirische Untersuchungen selbstständig durchzuführen. Notwendig und unverzichtbar ist in jeder Therapieschule jedoch die Analyse und Reflexion der eigenen therapeutischen Tätigkeit. In der ÖGWG geschah dies – wie in anderen Vereinigungen auch – seit jeher u.a. in Form von Abschlussarbeiten, in denen eigene Therapieverläufe analysiert und reflektiert werden. Aus Gründen der Verschwiegenheit und des Klientenschutzes können diese Arbeiten allerdings nicht veröffentlicht werden.
Masterthesen. Durch unsere Kooperation mit universitären Partnern besteht die Möglichkeit unser Fachspezifikum mit einer wissenschaftlichen Theorie- oder Forschungsarbeit (Masterthesis) abzuschließen. Hier liegen mittlerweile eine ganze Reihe aussagekräftiger Arbeiten vor. Die Masterthesen sind über die Homepage der Donau-Universität Krems auch im Volltext abrufbar. Ebenfalls liegen eine große Zahl von Theoriearbeiten vor, die im Rahmen unserer Universitätslehrgänge erstellt wurden.
Untersuchung zur Therapiedauer. Eine größere Untersuchung v.a. über die Therapiedauer Klientenzentrierter Therapien in Österreich wurde im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Wien durchgeführt (Korunka, Keil & Haug-Eskevig, 2003). Ausgewertet wurden bei einer Rücklaufquote von 16% aller ÖGWG-Mitglieder die Angaben von 92 Therapeutinnen und Therapeuten über 175 abgeschlossene Einzeltherapien mit Erwachsenen. Demnach umfasst die Dauer einer Klientenzentrierten Therapie durchschnittlich 61 Stunden; die häufigsten Diagnosen sind dabei neurotische Störungen (46%), affektive Störungen (28%), Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (8%) sowie Persönlichkeitsstörungen (8%).
Aktuelle Forschungsprojekte. In den letzten sieben Jahren hat die Wissenschaftskommission der ÖGWG große Anstrengungen unternommen, eigene Forschungsaktivitäten in der ÖGWG zu ermöglichen, zu planen und durchzuführen. Die beiden ersten aktuellen Forschungsprojekte der ÖGWG Wissenschaftskommission werden im folgenden Forschungsbericht von File, Keil, Schabus & Sauer (2014) dargestellt:
Ansätze zur empirischen Forschung in der Klientenzentrierten Psychotherapie in Österreich
Wissenschaftliche Arbeit von Mag. Norbert File. "Wirksamkeitsforschung in der Personzentrierten Psychotherapie - Bin ich nach der Therapie wieder normal?"
Zur Förderung der empirisch-qualitativen Forschung an der ÖGWG wurde für Mitglieder der ÖGWG eine Testothek (Sammlung von Fragebögen) erarbeitet und zur Verfügung gestellt. Mittlerweile umfasst die PCE-Testothek über 80 Fragebögen (Stand 2024) die sich mit Themen befassen, die für den Personzentrierten Ansatz relevant sind. Eine große Anzahl von Fragebögen wurde mittels „Forward and Backward Translation“ ins Deutsche übersetzt, damit sie für Forschungsprojekte genutzt werden kann.
Kongruenz, bzw. Authentizität, als Begriff, der sich in der aktuellen psychologischen und psychotherapeutischen Forschung stärker etabliert, stellt einen zentralen Aspekt der Persönlichkeitstheorie im Personzentrierten Ansatz dar. Trotz der Entwicklung mehrerer Messinstrumente und einer Vielzahl an empirisch-quantitativen Studien gibt es noch eine systematischen Literaturrecherche zu den aktuellen Ergebnissen und dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Dies soll im Rahmen dieses Projektes umgesetzt werden.
Kooperationen: Prof. Dr. Christoph Flückiger (Universität Kassel)
Ziel der Studie ist die Erforschung der Personzentrierte und Experienzielle Therapie (in Österreich kurz Personzentrierte Psychotherapie) im ambulanten Bereich in Form einer Prozess-Outcome Studie. Für die Personzentrierte und Experienzielle Therapie relevante Outcome Variablen z.B. Psychische Symptome, Authentizität (Kongruenz) werden zu mehreren Zeitpunkten gemessen. Gleichzeitig soll der relevante Effekt verschiedener Variablen, z.B. Empathie, Therapieerwartung, auf das Outcome berechnet werden. Eine Session per Session Messung, um einen vertieften Zusammenhang zwischen Symptomen, Authentizität und Beziehungsvariablen zu erforschen, ist auch Bestandteil der Studie. Als Kontrollgruppe wird eine Patientengruppe genutzt, die nur Medikamente (keine Psychotherapie) in Anspruch nimmt und eine Gruppe Normalbevölkerung hinzugezogen.
Kooperationen: Prof. Dr. Christoph Flückiger (Universität Kassel), Univ.Prof. Dr. Wolfgang Aichhorn, MBA (Christian Doppler Klinik - Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik)
Die Studie befasst sich mit Grundlegendem aus der Personzentrierten, Experienziellen und Positiven Psychologie und deren Effekt auf Wohlbefinden und Psychopathologie. Es wurde ein größeres Set an Fragebögen gewählt, um die verschiedenen Bereiche abzudecken, z.B. Authentizität, Focusing Haltung, Selbstmitgefühl. Einerseits sollen Effekte der Variablen auf Psychopathologie und Wohlbefinden berechnet werden, unter Betrachtung der einzigartigen Beiträge. Andererseits sollen komplexere Analysemethoden (z.B. Pfadanalysen, Netzwerkanalyse) Aufschluss über die empirischen Zusammenhänge zwischen den theoretischen Konzepten geben, bzw. theoretische Annahmen empirisch untermauern. Die Studie wird sowohl in der Normalbevölkerung als auch in einer klinischen Population durchgeführt.
Kooperationen: Prof. Dr. Christoph Flückiger (Universität Kassel), Univ.Prof. Dr. Wolfgang Aichhorn, MBA (Christian Doppler Klinik - Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik)
In Zusammenarbeit mit unseren Ausbildungskandidat*innen, die aktuell einen Masterabschluss an einer der Universitäten anstreben, die mit der ÖGWG kooperieren, wurde diese Prozess Outcome Praxisstudie ins Leben gerufen, die sich mit der Effektivität der Personzentrierte und Experienzielle Psychotherapie unserer Ausbildungskandidat*innen befasst. Die Studierenden (>20) haben sich im Vorfeld ein Thema ausgesucht, das sich mit den weitreichenden Aspekten der Persönlichkeitsentwicklung befasst, von dem sie ausgehen, dass die Psychotherapie einen positiven Effekt hat.
Gemeinsam soll damit eine genügend große Stichprobe entstehen, die für individuelle Masterarbeiten zur Verfügung gestellt werden wird. Die Gesamtdaten sollen auch für die Ausbildungsforschung in der ÖGWG genützt werden können.
Kooperationen im Rahmen der Masterarbeiten: Universität Salzburg, Universität für Weiterbildung Krems
Die „Current Person Centered Topics“ sind eine Veranstaltungsreihe, bei der ausgewählte Abschlussarbeiten der vier Ausbildungsvereine APG-IPS, FORUM, ÖGWG und VRP vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden.
Im Anschluss an die Vorträge gibt es die Gelegenheit zum vereinsübergreifenden informellen Austausch, wo unter anderem auch Aktivitäten im Zusammenhang mit Forschung vorgestellt werden können.
Mit diesen Veranstaltungen will die ÖGWG einen weiteren Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen Forschungskultur leisten und den Austausch und die Zusammenarbeit der Vereine unterstützen.
Rückblick
Montag, 08.03.2021, 18:30 – 21:00 Uhr
Montag, 22.03.2020, 18:30 – 21:00 Uhr
QUELLEN:
Cooper, M., Watson, J.C. & Hölldampf, D. (2010). Person-centered and experiential therapies work. A review of the research on counseling, psychotherapy and related practices. Ross-on-Wye: PCCS-Books.
Elliott, R., Greenberg, L.S. & Lietaer. G. (2004). Research on Experiential Psychotherapies. In M.J. Lambert (Ed.), Bergin & Garfield's handbook of psychotherapy and behavior change (5th ed.) (pp. 493-539). New York: Wiley.
Elliott, R., Greenberg, L.S., Watson, J., Timulak, L. & Freire, E. (2013). Research on humanistic-experiential Psychotherapies. In M.J. Lambert (Ed.), Bergin & Garfield's handbook of psychotherapy and behavior change (6th ed.) (pp. 495-537). New York: Wiley.
File, N., Hutterer, R., Keil, W.W., Korunka, C. & Macke-Bruck, B. (2008). Forschung in der Klienten- bzw. Personzentrierten und Experienziellen Psychotherapie 1991-2008. Ein narrativer Review. PERSON, 12 (2), 5-32.
File, N., Keil, W., Schabus, M. & Sauer, J. (2014). Ansätze zur empirischen Forschung in der Klientenzentrierten Psychotherapie in Österreich. PERSON, 18(1), 18-30.
Korunka, C., Keil, W.W. & Haug-Eskevig, K. (2003). Klientenzentrierte Psychotherapie in Österreich – Eine Bestandsaufnahme aus praxeologischer Sicht. Person, 7 (2003), 1, 70-80.
Korunka, C., Nemeskeri, N. & Sauer, J. (2001). Carl Rogers als Psychotherapieforscher – Eine kritische Würdigung. Person, 5 (2), 68-89.
Rogers C.R. (Ed.) with the collaboration of ET Gendlin, DJ Kiesler, DJ Truax (1967) The therapeutic relationship and its impact: A study of psychotherapy with schizophrenics. Madison: University of Wisconsin Press
Keil, S., Korunka, C., Topaloglou, H.M., Kurl, N., & Käfer-Schmid, G. (2021). Forschung in der Personzentrierten und Experienziellen Psychotherapie 2008–2019: Ein narrativer Review – 1. Teil. Person 25(1), 76–90.
Käfer-Schmid, G., Kurl, N., Keil, S., Korunka, C., & Topaloglou, H.M. (2022). Forschung in der Personzentrierten und Experienziellen Psychotherapie 2008–2019: Ein narrativer Review – Teil 2. Person 26(1), 5–20.